„Ein LKW macht Theater…und das auf dem Schulhof!“

Da fragt sich so manch einer bestimmt: „Was ist das denn für eine Überschrift?“

Ja genau, das ist nämlich auf dem Schulhof der Karl-Gärtner Schule am Dienstag, 16.5.2023 passiert:

Da stehen ein paar Stühle und Bänke unter dem überdachten Gang zum Verwaltungsgebäude, genau so viele, dass drei Klassen auf einmal Platz finden können. Ein paar Decken liegen für die Kinder der dritten und später vierten Klassen auch schon bereit, denn die „Eisheiligen“ sind auch noch an diesem Tag zu spüren.

Gespannt sitzen alle da und fragen sich: „Na, wo ist denn die Bühne? Heute kommt doch das Theater „Grüne Sosse“ aus Frankfurt.

„Hallo! Ich bin Frederike – LKW Fahrerin, Schauspielerin und Geschichtenerzählerin und nun macht bitte mal die Augen zu und zählt bis 90…“

Ja, und das machen dann fast alle auch. Über den Schulhof hört man ein lautes Motorenbrummen und als sich bei 91 die Augen öffnen, sehen alle einen LKW direkt vor ihre Sitzplätze fahren…. “Tadaaa die Bühne ist da!“

Während sie von klassischer Musik begleitet ihren LKW zur Bühne vorbereitet, klärt Frederike erst einmal auf, dass das weit verbreitete „Truckerklischee“ so gar nicht stimmt und sie viele spannende tolle Menschen auf der Straße und den Raststätten kennengelernt haben, als das Team des Theaters 2020 loszog, um Geschichten zu sammeln.

Während sie selbst auf, vor und in der LKW-Bühne Tee zubereitet, Essen kocht, liest und sich ausruht, beginnt sie mit einer bunten Geschichtensammlung:

Sie erzählt von…

.. Vadim dem feinfühligen, wachenden Ukrainer, der sensationelles Borschtsch auf seinem Gaskocher zubereitet und mit vollem LKW zurück in die Ukraine fuhr um dort zu helfen.

…von Überraschungsgeburtstagspartys der besten Truckerfreunde.

….von Ruth, einer Automechanikerin, Buchhändlerin und Truckerin, die für alles bestens gerüstet ist und nichts missen mag auf ihren langen Reisen.

… von Olec aus Weißrussland, der von Moskau nach Rotterdam unterwegs ist und die Geschichte erzählt, als er mal von einer Lawine in seinem LKW eingeschlossen wurde.

Viele Fotos auf Leinwänden und ein riesiger Flachbildschirm in einer Seekiste, auf dem immer wieder Videosequenzen zu sehen sind, lassen die Geschichten noch lebendiger werden.

Auch die Geschichte vom Autobahnpolizisten Holger ist dabei, welcher mit viel Fingerspitzengefühl und Nachsicht an seine Aufgabe herangeht und der Google –Übersetzer auf gar keinen Fall fehlen darf.

So wie bei Stadt –Land –Fluss – die Buchstaben ausgezählt werden, wirft sie den Kindern immer wieder neue Schlagwörter entgegen: „A, B, C….. Stop…. W …. Warenkette“. Was bedeutet eine Warenkette und was hat diese mit den LKW-Fahrern und Fahrerinnen zu tun?

Essen, Trinken, Handys, PC- Spiele, Stifte, Papier, T-Shirts, andere Kleidung und vieles mehr was wir kaufen und besitzen, wo kommt das eigentlich her? Wie kommt das in die Regale der Läden? Ist es hier genauso viel wert wie an dem Ort, an dem es produziert wird? Das sind Fragen, die Frederike mal so in die Zuschauerreihen zum Nachdenken „wirft“.

Frederike z.B. träumt noch von den süßen Früchten aus Portugal, welche Antonio & Leandro von dort aus quer durch Europa fahren um sie an Supermärkte zu liefern.

Eins ist für sie klar, die Raststätte ist nicht nur ein stinkender, öliger, grauer Ort… sondern auch ein Ort der Begegnungen, ein Ort des Ankommens und des Abschieds.

Nach knapp 50 Minuten wird Frederike mit einem kräftigen Applaus belohnt und dann ist Zeit zum Fragen stellen.  Diese Gelegenheit nutzen die Kinder auch: Wie viel Lagerkapazität hat der LKW? Lebt Vadim noch? Wie lange arbeitest du schon als Schauspielerin? Sind die Geschichten echt? Wo schlaft ihr?  Und viele Fragen mehr werden geduldig beantwortet.

Zum Schluss bekommen die Lehrkräfte noch eine Mappe zur Nachbereitung des Stückes mit.

„Das war eine coole Vorstellung!“, hört man den ein oder anderen sagen, als alle wieder – etwas verfroren – zurück in ihre Klassenräume gehen.

Theater mal ganz anders.

Tanja Hafer